Weiterhin Hygienepauschale berechnen?
INHALT
Die Absprache zur Hygienepauschale wurde zum 01.04.2022 beendet. Das bedeutet, dass die gemeinsame Empfehlung bez. Ziffer GOÄ 383a ab dem 01.04.2022 nicht mehr gilt. Für die Vergangenheit bleibt die konsentierte Empfehlung von BÄK und Kostenträgern. Aber für alle Arzt:in-Patienten:innen-Kontakte ab dem 01.04.2022 stellte sich für Praxen die Frage nach Alternativen.
Bekannte Virologen haben Ende Dezember 2022 die Pandemie für beendet erklärt, im April 2023 auch der Gesundheitsminister. Nach unserer Auffassung ist es so, dass Sie weiter den durch Covid-19 entstehenden zusätzlichen Hygieneaufwand wie unten dargestellt fakturieren können – unter der Voraussetzung, dass
- der Aufwand auch tatsächlich erhöht ist und
- medizinisch erforderlich ist, vgl. § 1 Abs. 2 GOÄ.
Ist das nicht oder nicht mehr der Fall, entfällt auch die Berechtigung zur Berechnung. Je länger die BGM-Erklärung zurückliegt und keine neue Welle anrollt, umso eher ist davon auszugehen, dass es keine medizinische Indikation mehr für den erhöhten Aufwand gibt. Die unten stehenden Informationen gelten daher unter diesen beiden genannten Voraussetzungen.
Weitere Anwendung GOÄ 383a?
Eine Option ist, einfach weiter die letzte Empfehlung anzuwenden, d.h. die Ziffer GOÄ 383 analog. Die Empfehlung hatte keinen Gesetzescharakter, d.h. nach Aufhebung bedeutet das lediglich den Entfall der gemeinsamen Abstimmung. Wir empfehlen das aber nicht. Die Ziffer ist von den Prüfprogrammen der Kostenträger:innen leicht zu filtern und wir gehen davon aus, dass die meisten Kostenträger:innen eine Erstattung dieser Ziffer automatisch und immer verweigern. Dann ist die spätere Begründung aufwendiger als das Honorar der Ziffer von 4,02 €.
Abbildung der allgemeinen Praxiskosten?
Ein Ansatz könnte sein, jedenfalls einen Teil des Aufwandes als Auslage geltend zu machen. Allerdings sind nach § 4 Abs. 3 GOÄ mit dem Honorar auch die Praxiskosten einschließlich Sprechstundenbedarf plus Anwendung von Instrumenten und Apparaten mit abgegolten. Anderes gilt nur dann, wenn die GOÄ es ausdrücklich erlaubt.
Eine solche Erlaubnis regelt § 10 Abs. 1 GOÄ. Danach können Auslagen gesondert berechnet werden für Arzneimittel, Verbandmittel und sonstige Materialien, die der/die Patient:in zur weiteren Verwendung behält oder die mit einmaliger Anwendung verbraucht sind. Die letzte Option würde jedenfalls für die Desinfektionsmittel passen. Aber § 10 Abs. 2 GOÄ macht eine Einschränkung der Erlaubnis. Desinfektionsmittel und Reinigungsmittel sind zwar mit einmaliger Anwendung verbraucht, können aber nach § 10 Abs. 2 GOÄ ausdrücklich nicht als Auslage berechnet werden. Damit kann der erhöhte Verbrauch der Desinfektionsmittel nicht weitergeben werden. Das AG Bremen hat das „Betriebsrisiko“ genannt (Az. 9 C 333-21 vom 05.11.2021).
§ 2 Abs. 1 GOÄ – abweichende Vereinbarung?
Eine weitere Möglichkeit ist, vor der Behandlung eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Nach § 2 GOÄ ist der einzige dafür zugängliche Punkt der Faktor. Eine solche Vereinbarung darf durchaus auch bei Notfall- und akuten Schmerzbehandlungen geschlossen werden, in diesen Fällen darf die Behandlung nur nicht von der Unterschrift abhängig gemacht werden. Eine abweichende Vereinbarung kann nur für den Einzelfall getroffen werden, also nicht generell im Sinne von „ab heute vereinbaren wir bis auf Widerruf …“. Das bedeutet, dass die Vereinbarung mit allen Patienten:innen immer wieder neu geschlossen werden müsste. Damit wäre diese Lösung zu aufwendig.
§ 5 Abs. 2 GOÄ – höherer Faktor
Eine andere Möglichkeit ist, den erhöhten Hygieneaufwand über den Steigerungsfaktor nach § 5 Abs. 2 GOÄ abzubilden. Diese Alternative zur Hygienepauschale gab es auch schon vorher, darauf hatte die BÄK hingewiesen. Der Faktor kann erhöht werden, wenn folgende Umstände zu einen höheren Aufwand führen
- Schwierigkeit der einzelnen Leistung (umfasst auch Schwierigkeit des Krankheitsfalls)
- Zeitaufwand bei der einzelnen Leistung
- Umstände bei der Ausführung
Erhöhte Hygienemaßnahmen können erschwerende Umstände bei der Ausführung auslösen. Entsprechend kann der Faktor einer Ziffer gesteigert werden. Wir empfehlen, in der Begründung nicht schematisch „erhöhter Hygieneaufwand“ aufzuführen, sondern individuell einen Text zu generieren. Ideal wäre ein stichwortartiges Nennen der Maßnahmen wie
- Eintreten von Atembeschwerden/Dyspnoe durch notwendige Hygienemaske
- deutlich erhöhter Zeitaufwand wegen Maßnahmen Hygieneschutz bei zwingend notwendiger Unterschreitung des empfohlenen Sicherheitsabstands (bei allen Untersuchungsziffern).
Beispiel Abrechnung zusätzlicher Hygieneaufwand
Vorstellbar wäre, eine regelmäßig anfallende Ziffer wie z.B. die Ziffer 1 GOÄ mit Blick auf die Hygienemaßnahmen von 2,3 auf 3,0 zu steigern.
Leistung | Ziffer | Faktor | Betrag |
Beratung, auch mittels Fernsprecher | 1 GOÄ | 2,3 | 10,72 € |
Beratung, auch mittels Fernsprecher | 1 GOÄ | 3,0 | 13,98 € |
Die Differenz zum normalen Schwellenwert beträgt 3,26 €. Dieser Betrag liegt also noch unter dem Wert von 4,02 €, der über die A 383 GOÄ vorher ausgerufen und der der insgesamt niedrigste Wert für Hygienepauschalen war. Wertmäßig wäre diese Lösung also in jedem Fall vergleichbar. Der Steigerungsansatz bei einer regelmäßig anfallenden Ziffer bietet den Vorteil, dass der angesetzte Wert für die zusätzliche Hygienezeit ca. bekannt ist und nicht jedes Mal ganz neu festgelegt werden muss.
Gleichzeitig muss eindeutig begründet werden, warum ein höherer Zeitaufwand entstanden ist, z.B. „aufwändige Hygienemaßnahmen wg. Covid-19-Pandemie“. Der höhere Hygieneaufwand darf jedenfalls nicht in anderen Begründungen versteckt werden.
Natürlich ist eine zusätzliche Faktorerhöhung mit Begründung möglich und richtig, wenn es zusätzlich einen erhöhten Zeitaufwand wegen anderer Umstände gegeben hat, z.B. wegen vermehrter Rückfragen des/der Patienten:in. Dann könnte man die GOÄ-Ziffer 1 auf 3,5 steigern mit der 2-fach-Begründung „aufwändige Hygienemaßnahmen wg Covid-19-Pandemie und ausführliche Beratung“.
Wenn aber die Ziffer 1 aufgrund des hohen Zeitaufwandes wegen z.B. Rückfragen bereits auf 3,5 gesteigert wird, muss eine andere Ziffer für den Hygieneaufwand gewählt werden. Dabei muss beachtet werden, dass nicht einfach der gleiche Faktor wie bei der Ziffer 1 GOÄ gegriffen wird (=3,0), sondern bei einer alternativen Ziffer wie z.B. der GOÄ-Ziffer 7 der Faktor 2,6 oder 2,7. So wird hier der ungefähre Wert für die Hygiene von um 3 € erreicht, ohne dass der Wert überzogen wird. Würde man die GOÄ Ziffer 7 wie die Ziffer 1 auf 3,0 steigern, läge die Ziffer 7 bei 27,99 €. Der Anteil davon für die zusätzliche Hygiene läge dann bei 6,54 €. Das wäre praktisch das Doppelte im Vergleich zum 3,0-fachen Wert der Ziffer 1 und damit aus unserer Sicht nicht stimmig.
Wir sind der Auffassung, dass ein solcher Ansatz sauber argumentiert und durchsetzbar ist. Nach unseren Erfahrungen in 2022 wird dieser Weg auch praktisch ohne Einwendungen anerkannt und bezahlt.
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