GOÄ-Novelle / GOÄneu
Im September 2024 konnte der nächste weitere nächste Schritt für die Novelle genommen werden. Bundesärztekammer (BÄK) und der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) haben sich sowohl auf ein neues System wie auch auf eine Preisliste geeinigt. Damit ist nach längerer Verzögerung wieder Bewegung in die Arbeiten gekommen, die im März 2016 einen jähen Stopp erlebt hatten. Damals hatte das Präsidium der BÄK die Vorlage zur neuen GOÄ abgelehnt. In den Folgejahren wurden etwa 5.600 neue Legende seitens der BÄK definiert und intern auch konsentiert. Dabei wurden über 150 ärztliche Berufsverbände einbezogen.
Neu im Entwurf im Vergleich zur jetzigen GOÄ sind:
- Die Option Faktorsteigerung bei erhöhtem Aufwand wird es nicht mehr geben. Statt dessen sind bei Mehraufwand feste Zuschläge vorgesehen, ähnlich wie heute schon in den 100er-Ziffern zur Leichenschau.
- Die Analogabrechnung entfällt. Statt dessen wird die Gebührenordnung regelmäßig aktualisiert.
Beide Elemente waren in 2015 bereits Bestandteil der Verhandlungen und konsentiert. Hier hat sich also nichts Neues entwickelt. Hier sind weitere Details kommentiert.
Des Weiteren gibt es Konsens, dass das GOÄ-Honorarvolumen um bis zu 13,2 % ansteigen werde, so die Mitteilung der Bundesärztekammer. Das entspräche einem zusätzlichen Volumen von etwa 1,9 Mrd. Euro. Dieser Effekt, so die BÄK, solle in den ersten drei Jahren stufenweise eintreten. Gleichzeitig soll ein Monitoring erfolgen, um bei Entwicklungen außerhalb eines erwarteten Korridors gegensteuern zu können. Das würde über gemeinsame Empfehlungen an den Verordnungsgeber geschehen. Auch dieser Mechanismus wurde bereits in 2014 und 2015 vereinbart, also auch hier ein bekanntes Element.
Der neue Entwurf stützt die sprechende Medizin, wird aber von Teilen der Ärzteschaft scharf kritisiert. Insbesondere die Vertreter der Radiologie und der Labormedizin sowie der Orthopädie und Unfallchirurgie gehen von einer deutlichen Honorareinbuße aus und lehnen den Entwurf ab. Daher hat sich die BÄK entschieden, in einem Clearingverfahren die Einwände zu prüfen und das weitere Vorgehen zu diesem Thema für den Bundesärztetag 2025 vorzubereiten.
Historie
Seit Jahren schien alles zum Thema eingefroren. Zuerst verwies das Bundesgesundheitsministerium in 2021 auf die vorrangige Pandemiebekämpfung. Dann äußerte Bundesgesundheitsminister Lauterbach im März 2022, die GOÄ-Reform habe keine Priorität. Der Koalitionsvertrag besage, dass solche Reformen ausgeklammert würden, die das „Zusammenspiel“ aus GKV und PKV berühren. Später spezifizierte der Minister, er „könne sich kein Szenario vorstellen, in dem das Zusammenspiel nicht berührt werde.“ Auf dem Ärztetag 2023 ging der Minister auf das Thema GOÄ-Novelle nicht ein – trotz des ausdrücklichen Appells des BÄK-Präsidenten. Im Januar 2024 äußerte Lauterbach, das BMG werde das Thema GOÄ-Novelle undogmatisch und vorurteilsfrei angehen. Allerdings dürften GKV-Versicherte durch eine Reform nicht schlechter gestellt werden. Es bedürfe noch der Abstimmung mit dem Koalitionspartner FDP. Möglicherweise ist das ja ein Zeichen für einen Richtungswechsel.
2023: Ärzteeigene GOÄ – erste Einblicke
Im Januar 2023 hat die BÄK zu jeder Ziffer einen intern konsentierten und konkreten Honorarbetrag in € hinzugefügt („ärzteeigene GOÄ“). Das jeweilige Honorar umfasst die Kosten für ärztliches und nichtärztliches Personal, Technik sowie Gemeinkosten. Zwischenzeitlich wurden ca. 1.500 Probeabrechnungen durchgeführt, um die finanziellen Auswirkungen der Reform abschätzen zu können. Eine Abstimmung mit der Kostenträgerseite steht aber noch aus. Denn im März 2023 teilte der PKV-Verband mit, er könne dem Entwurf so nicht zustimmen. Begründung: Die PKV-Seite gehe von einer weit höheren Kostenwirkung aus als die BÄK. Der vereinbarte Korridor der Steigerung zwischen 5,2% bis maximal 6,4 % würde nach PKV-Sicht im jetzigen Entwurf um das Doppelte überschritten. Die BÄK errechnet allerdings lediglich ein Plus von etwa 10 %. In einem fortlaufenden Prozess vergleicht die BÄK Rechnungen nach aktueller GOÄ mit Ergebnissen bei Anwendung des GOÄ-Entwurfs.
Derzeit will die BÄK das BMG über Eskalationsstufen dazu bewegen, die Novelle voranzutreiben und damit die Blockadehaltung der Kostenträgerseite aufzulösen. Die Positionen der BÄK und der LÄKn sind seit April 2023 in einer gemeinsamen Resolution zusammengefasst (Positionen der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern). Außerdem hat die BÄK zu diesem Thema vier Papiere veröffentlicht:
1) Merkblatt der BÄK für Praxen zu abweichenden Honorarvereinbarungen
Natürlich kann auch die BÄK nur die Empfehlungen geben, die auch bisher schon bei Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten gegeben waren. Interessant ist allerdings, dass in diesem Dokument ab Seite 3 die bisher unter Verschluss gehaltenen Ziffern und Bewertungen der arzt-eigenen GOÄ und deren Wert aufgelistet sind. Zwar nur für einen engen Ziffernkreis, nämlich die Ziffern 1, 3, 5, 6, 7, 8, 34, 50, 800, 801, 861, 863, 870 der jetzigen GOÄ. Aber so erhalten Praxen erstmalig einen gewissen Einblick in die BÄK-eigene neue GOÄ-Kalkulation im Vergleich zum jetzigen Honorar der jeweiligen Ziffer. Wenn man sich vor Augen hält, dass die PKV wie berichtet meint, dass die Honorarerhöhung zu stark sei, lässt das ahnen, was die PKV-Seite derzeit mitzugehen bereit wäre – und das ist deutlich weniger als wünschenswert.
2) Hinweise der BÄK für Praxen zu abweichenden Honorarvereinbarungen
Hier werden vertiefte Hinweise zur rechtlichen Seite einer Honorarvereinbarung gegeben. Die BÄK bezieht höchstrichterliche Rechtsprechung und führende Kommentierungen mit ein. Die Hinweise müssen natürlich auf dem Boden dessen bleiben, was ohnehin auch bisher schon möglich war. Neuigkeiten gibt es an dieser Stelle also nicht. Es ist aber sehr begrüßenswert, dass die BÄK klare Position bezieht und alle Informationen aufbereitet hat. Dies auch deshalb, weil im November 20233 von einer Seite eine Beratung dahin gewünscht wurde, wie ärztliche Leistungen in Zukunft regelhaft mit dem Faktor 3,5 abgerechnet werden können. Dem folgt die BÄK wie erwartet nicht. Solange die GOÄ in der jetzigen Form gilt und damit verbindlich ist, kann der Faktor nur
- über eine Einzelvereinbarung mit der Patientenseite nach § 2 GOÄ
- oder bei Vorliegen von Erschwernissen nach § 5 Abs. 2 GOÄ
über dem jeweiligen Schwellenwert angesetzt werden. Bezüglich der Option Nr. 1 bleibt es so, dass solche Vereinbarungen mit erheblichem Aufwand verbunden sind. Dies nicht nur wegen der Formalien, sondern auch wegen des erhöhten Erklärungsbedarfs der Patient:innen. Die Option 2 setzt bestimmte Fakten voraus, die eine Praxis nicht steuern kann.
Handlungsmöglichkeiten
Eine neue GOÄ tut not. Wir hoffen, dass das jetzige Momentum gehalten werden kann und es auch eine inflationsbezogene Anpassung gibt. Bis dahin bleibt es sinnvoll, die bis auf Weiteres geltende GOÄ und die Handlungsmöglichkeiten dazu zu kennen. Wir unterstützen Praxen gern mit individueller Beratung.